Auch Hunde geraten in Situationen, in denen sie Angst haben, gestresst oder überfordert sind. Manchmal sind dies offensichtliche Ereignisse, aber oft handelt es sich auch um Umstände, die du als harmlos einstufst. Um diese Situationen richtig einschätzen und handhaben zu können, musst du die Stress- und Angstreaktionen deines Hundes kennen und richtig deuten können.
Keine Lust, viel zu lesen?
- Wie dein Hund in der jeweiligen Situation reagiert, hängt sowohl von seiner derzeitigen Verfassung, vorherigen Erfahrungen als auch seinen derzeitigen Möglichkeiten ab
- Die meisten Hunde setzten nur dann auf „Fight“ wenn sie keine andere Option haben. Eine angespannte Haltung, Knurren oder an der Leine ziehen deuten auf die Erregung des Hundes hin
- Bei Flight greift der Fluchtinstinkt des Hundes, er wendet sich ab, versucht sich oder versucht sich zu verstecken. Im Gegensatz dazu bleibt er bei Freeze einfach stehen
- Fiddle ist wohl die unbekannteste Reaktion. Der Hund zeigt Übersprungsreaktionen, die fälschlicherweise als Freude interpretiert werden können. Der Hund rennt herum, springt, buddelt oder wedelt mit dem Schwanz, er versucht damit seine innere Anspannung abzubauen
- Achte stets auf die Signale deines Hundes und analysiere, welche Situationen einen Konflikt für ihn darstellen. Entwickle Strategien und Alternativen, um Stress und Angst deines Hundes zu reduzieren
Was passiert bei Stress- und Angstreaktionen?
Steigt das Stresslevel deines Hundes an, wird Adrenalin ausgestoßen, was den Körper deines Vierbeiners in Alarmbereitschaft versetzt. Er versucht nun, eine Möglichkeit zu finden, mit dieser bedrohlichen Situation umzugehen und ihr zu entkommen. Vielleicht hast du schon einmal das Sprichwort „fight or flight“ gehört. Es besagt, dass Lebewesen in Gefahrensituationen entweder kämpfen oder flüchten. Dieses Phänomen lässt sich auch bei Hunden beobachten, nur dass die Stress- und Angstreaktionen hier um zwei weitere Faktoren ergänzt werden.
Stress- und Angstreaktionen beim Hund
Um mit Stress und Angst umzugehen kann dein Hund auf vier verschiedene Weisen reagieren, die 4 F:
- Fight
- Flight
- Freeze
- Fiddle/Flirt
Die Situation, die dein Hund wählt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen entscheidet die Situation selbst, welche Stress- und Angstreaktion dein Vierbeiner wählt, zum anderen spielen seine derzeitige Verfassung und seine Möglichkeiten eine Rolle. Zudem beeinflussen die Erfahrungen deines Vierbeiners, wie er sich verhält. Sollte die gewählte Strategie nicht zum gewünschten Erfolg führen, wird dein Hund eine andere wählen müssen.
Fight
Fight oder auf Deutsch ‚Kämpfen‘ ist eine der bekannteren Stress- und Angstreaktionen. Auch wenn die meisten Vierbeiner meist zuerst andere Strategien ausprobieren und erst zu ‚Fight‘ greifen, wenn sie keine andere Möglichkeit sehen oder keinen Erfolg mit den anderen Optionen hatten.
Wenn der Auslöser für die Stress- und Angstreaktion zu nahe kommt, reagiert der Hund beispielsweise, indem er an der Leine zieht, nach vorne geht oder bellt. Für uns als Halter ist das größtenteils unangenehm, auch wenn der Hund damit nur versucht, sich zu schützen.
Fight umfasst mehr als nur den Angriff an sich. In der Regel geben kleine Signale im Vorfeld Hinweise darauf, was folgen wird. Erkennst du diese Anzeichen, kannst du die Situation entschärfen, bevor es zum Äußersten kommt. Wie sich die Erregung deines Tieres zeigt, ist individuell. Folgende Verhaltensweisen machen sich dabei oft bemerkbar:
- angespannte Haltung
- Knurren oder Bellen
- In die Luft schnappen
- Zähne zeigen
- Fixieren der Gefahrenquelle
Auch wenn es für dich unangenehm ist, wenn dein Hund in einer für dich vielleicht harmlosen Situation bellt oder schnappt, ist es wichtig, ihm dieses Verhalten nicht zu verbieten. Das könnte nämlich dazu führen, dass das Tier viel schneller zubeißt, als es normalerweise der Fall gewesen wäre.
Dieses Verhalten macht sich im Alltag zum Beispiel bei Hundebegegnungen bemerkbar. Vielleicht führst du deinen Hund auf einem schmalen Weg nahe an einem anderen vorbei, oder der fremde Hund kommt deinem zu nahe. Instinktiv würde der Vierbeiner wahrscheinlich die Flucht ergreifen, doch da es in dieser Situation nicht möglich ist, weicht er auf eine andere Stress- und Angstreaktion aus – den Angriff.
Flight
Auch Flucht ist eine bewährte Bewältigungsstrategie der Hunde. Um einer Situation zu entgehen, entzieht er sich ihr und flüchtet. Das heißt aber nicht, dass das Tier in Höchstgeschwindigkeit davon sprintet. Auch Verstecken, sich abwenden und Abstand zur Situation aufbauen sind Zeichen des Fluchtinstinktes.
Gerade bei Spaziergängen, bei denen der Vierbeiner an der Leine geführt wird, ist die Flucht jedoch kaum möglich, weshalb dein Hund auf eine andere Strategie ausweichen muss.
Fiddle/Flirt
Diese Stress- und Angstreaktion ist wohl die unbekannteste und wird oft im ersten Moment gar nicht als solche erkannt. Übersetzt bedeutet „Fiddle“ so viel wie „herumalbern“. Hier zeigt dein Vierbeiner Übersprungsreaktionen, wenn er mit der Situation überfordert ist. Zu diesen Reaktionen gehören unter anderem:
- Herumrennen
- Buddeln
- Kratzen
- Bellen
- Springen
- Schnappen
Manche dieser Anzeichen, wie zum Beispiel Schwanzwedeln und Herumspringen, werden oft fälschlicherweise als Freude oder Aufforderung zum Spielen interpretiert. Oft zeigt dein Vierbeiner diese Zeichen auch in anderen Situationen, die nicht mit Angst oder Stress verbunden sind, was es erschwert, die Gefühlslage des Hundes zu erkennen. Im Alltag sind derartige Reaktionen oft bei Spaziergängen und Hundebegegnungen zu beobachten. Auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag, will dein Hund oft gar nicht spielen, sondern einfach nur seine innere Anspannung abbauen.
Auch Beschwichtigungshandlungen wie sich rücklings auf den Boden legen oder Lippen lecken sind in dieser Kategorie einzuordnen.
Um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen, ist von Anfang an Vorsicht bei Begegnungen mit Fremden geboten. Sätze wie „Der tut nichts“ oder „Der will nur spielen“ sind dabei mit äußerstem Argwohn zu betrachten. Der Hund zeigt diese Stress- und Angstreaktionen aber nicht nur bei der Konfrontation mit anderen Tieren, sondern auch bei Menschen. Gerade bei Welpen möchten alle gerne schnell gestreichelt und gekuschelt werden. Dass der Hund dabei an ihnen hochspringt, wird als Freude interpretiert. Habe hier keine Scheu, für deinen Hund einzustehen und den Kontakt zu unterbinden, wenn du dir nicht ganz sicher bist, dass der Vierbeiner das auch wirklich will.
Ich beobachte das „Fiddle“ oft bei meinem Welpen, Ziva. Sie neigt schnell zu Übersprungsreaktionen, die sich meistens in Spielaufforderungen und Buddeln zeigen. Sich dessen bewusst zu machen, hilft dabei, richtig auf die Situation zu reagieren. Bei Ziva gesellt sich zu „Fiddl““ oft das „Freeze“, wenn sie mit neuen Reizen konfrontiert wird.
Freeze
Das letzte der 4 Fs ist Freeze oder Einfrieren bzw. Erstarren. Dein Hund bleibt bei Begegnungen mit anderen Vierbeinern einfach stehen und lässt sich auch mit Leckerli nicht mehr zum Weiterlaufen animieren? Dann kennst du Freeze bereits.
Je nach Situation und individuellem Verhalten des Vierbeiners hält diese Reaktion nur wenige Sekunden an oder doch so lange, bis die Situation vorüber ist.
Beim „Freeze“ wird der Hund steif und starr und will nicht mehr weiterlaufen. Diese Reaktion wird häufig gar nicht wahrgenommen oder nicht als solche gedeutet, denn der Hund macht ja nichts. Aber auch keine Reaktion ist eine Reaktion.
Stress- und Angstreaktion erkennen
Nimmt dein Hund eine Situation als stressig wahr oder ist er überfordert, steigt sein Erregungslevel. In der Regel handelt der Vierbeiner aber nicht unmittelbar entsprechend der 4Fs. Das kommende Verhalten meldet sich durch Signale und eine veränderte Körpersprache an. Die Körpersprache ist ein wichtiges Kommunikationsmittel des Hundes, egal ob es dabei um den ganzen Körper oder einzelne Partien wie Maul, Ohren und Rute geht. Gähnen, Hecheln oder das Ziehen an der Leine können auf steigende Erregung hindeuten.
Wie gehe ich mit solchen Situationen um?
Um deinen Hund vor Situationen zu schützen, die ihn stressen oder ihm Angst machen, musst du auf seine Signale achten und es gar nicht erst so weit kommen lassen. Kommt dir auf einem schmalen Weg jemand entgegen, ist es beispielsweise ratsam, deinen Hund auf dich zu fokussieren, ihn beruhigend zu streicheln und ihm so zu zeigen, dass er sich auf dich verlassen kann. Verknüpfe stressige Situationen wie vorbei fahrende Autos mit einer Belohnung wie dem Lieblingsleckerli und sorge dafür, dass dein Vierbeiner sich entspannen kann. Dafür ist besonders wichtig, dass dein Hund dir vertraut.
Ignoriere die Anzeichen auf keinen Fall und gehe lieber auf Nummer sicher. Vielleicht will dein Vierbeiner wirklich spielen, vielleicht fiddled er aber auch nur.
Damit du in betreffenden Situationen richtig handeln kannst, musst du …
- … wissen, welche Situationen für deinen Hund einen Konflikt darstellen können
- … wissen, wie dein Hund aussieht oder sich verhält, wenn er gestresst ist, Angst hat oder überfordert ist
- … erkennen, wenn eine Situation zu viel für deinen Hund wird
- … den Konflikt lösen und entsprechende Alternativen finden
FAQ: Häufig gestellte Fragen
Was sind die 4 F beim Hund?
Unter den 4 F versteht man Bewältigungsstrategien die der Hund einsetzt um stressigen, bedrohlichen Situationen zu entgehen oder wenn er mit Überforderung zu kämpfen hat. Diese Strategien werden allgemein in 4 Kategorien eingeteilt: Fight, Flight, Freeze, Fiddle.
Was ist fiddeln beim Hund?
Beim fiddeln zu Deutsch "herumzappeln" versucht der Hund seine Anpannung abzubauen und Konflikte zu lösen bzw. zu vermeiden. Das Verhalten wird leider oft mit Spielaufforderungen verwechselt, ist im Grunde aber das genaue Gegenteil.